Der Begriff „Sportswashing“ hat sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen Thema entwickelt. Er beschreibt, wie Staaten oder Unternehmen den Sport nutzen, um von Problemen wie Menschenrechtsverletzungen abzulenken. Ein prägnantes Beispiel ist die umstrittene Fußball-Weltmeisterschaft in Katar, bei der die Arbeitsbedingungen und Menschenrechtsverletzungen international kritisiert wurden.
Aktuell bahnt sich auch in Deutschland eine Investition mit dem Hintergrund des Sportswashing an: ein möglicher Einstieg von CVC oder Blackstone in die Deutsche Fußball Liga (DFL).
Doch wer steckt überhaupt hinter diesen Unternehmen?
CVC Capital Partners (CVC) ist ein Finanzunternehmen mit Hauptsitz in Luxemburg. Das Unternehmen gehört zu den zehn größten Private-Equity-Unternehmen weltweit und ist unter anderem an Unternehmen wie Breitling, Tipico, Douglas und vielen weiteren beteiligt.
Die Blackstone-Group Inc. ist eine börsennotierte US-amerikanische Investmentgesellschaft mit Hauptsitz in New York City. Die Firma ist einer der weltgrößten Investoren im Bereich Alternative Investments.
Woher diese beiden Investmentgruppen ihr Geld haben, ist nicht im Detail nachzuvollziehen. Zu den Finanziers gehören Privatpersonen ebenso wie institutionelle Anleger. Unter anderem gehört bei CVC als auch bei Blackstone der saudi-arabische Staatsfonds PIF zu den Geldquellen.
Dieses pikante Detail lässt in die Strategie und die Hintergründe des Einstiegs in die DFL blicken: der Wüstenstaat versucht auf diese Weise ein positives Bild in der westlichen Welt zu erzeugen. Doch die Liste an zu vertuschenden Zuständen in Saudi Arabien ist lang:
So gibt es im Wüstenstaat beispielsweise noch immer Hinrichtungen, etwa für Drogendelikte oder Raubüberfalle.
Laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International sind es teils aber noch mildere Vergehen, die in Saudi-Arabien zum Tod führen können. 2022 wurde eine Vielzahl von Leuten hingerichtet aufgrund von „Störung des sozialen Gefüges und des nationalen Zusammenhalts“ und „Teilnahme an und Anstiftung zu Sitzstreiks und Protesten“. Die Hinrichtungsrate zählt zu den höchsten weltweit. Die Menschenrechtsorganisation Reprieve recherchierte für das Jahr 2023 die Zahl von mindestens 172 Menschen, die hingerichtet wurden. Unter der Führung von Kronprinz bin Salman und seinem Vater König Salman ibn Abd al-Aziz hätte es „die sieben blutigsten Jahre in der modernen Geschichte des Königreichs“ gegeben, schrieb Reprieve.
Auch das Justizsystem ist mit dem europäischen System nicht zu vergleichen: Saudischen Staatsangehörigen wurden in der Vergangenheit bereits Haftstrafen von 15 bis zu 45 Jahren auferlegt, wenn sie etwa in den sozialen Medien unliebsam-kritische Äußerungen tätigten. Zu den Freiheitsstrafen kommen Reiseverbote oder auch Sperrung der Konten – ein Maulkorb für alle Kritiker, Aktivisten und friedlichen Verteidiger der Meinungsfreiheit.
Schlecht bestellt ist es ebenso um die Migranten des Landes. Da für sie ein anderes Arbeitsrecht gilt, sind sie häufig Opfer von verbalen und tätlichen Angriffen oder müssen damit rechnen, dass ihre Pässe einbehalten werden, ebenso wie ihr Lohn. Frauen sind gesetzlich verpflichtet, ihrem Ehemann zu gehorchen, darüber hinaus benötigen sie die Erlaubnis ihres männlichen Vormundes, um zu heiraten. Homosexuelle werden live im Fernsehen des Terrorismus bezichtigt, weil sie sich schlechter als Tiere verhielten. Nach offizieller Scharia-Regel können bei gleichgeschlechtlicher Liebe auch Stockhiebe, Gefängnis oder auch die Todesstrafe verhängt werden. Die Liste weiterer Benachteiligter im Land könnte noch lange fortgesetzt werden.
Zensur ist in Saudi-Arabien alltäglich, unabhängige Medien sind nicht erlaubt. Repressive Straf-, Anti-Terror- und Internetgesetze ermöglichen lange Haftstrafen, Veröffentlichungs- und Reiseverbote für kritische Journalist*innen. Aller Reformrhetorik zum Trotz wurde seit der Ernennung von Kronprinz Mohammed bin Salman 2017 die Repression noch verstärkt. Viele Medienschaffende sind willkürlich inhaftiert, die meisten werden wohl gefoltert. Die Ermordung des Exil-Journalisten Jamal Khashoggi in der Türkei 2018 hat gezeigt, dass Kritiker selbst im Ausland nicht sicher sind.
Der Einstieg in die DFL – ein weiteres Puzzleteil im großen Ganzen?
Saudi-Arabiens sportliche Ambitionen gehen weit über die bloße „Leidenschaft“ für den Sport hinaus. Die Investitionen im Sportsektor sind vielschichtig und strategisch bedeutsam, um oben genannten Missstände zu überdecken. Die Übernahme von Fußballclubs, das Sponsoring großer Sportveranstaltungen und die Ausrichtung internationaler Wettbewerbe sind Teil eines umfassenden Plans, um das internationale Bild des Landes zu verbessern.
Saudi Arabien hat längst verstanden, welche Rolle gerade der Fußball in der westlichen Welt spielt und ihn auf Grund seiner Strahlkraft zu Teilen der politischen und sozialen Strategien gemacht. Aus diesem Grund wird viel Geld in den Fußball investiert: Der staatliche „Public Investment Fond“ wird auf ein Gesamtvolumen von 700 Milliarden Dollar geschätzt. Mit diesem Geld wird unter anderem die landeseigene Fußball-Liga „Saudi Professional League“ subventioniert. Allein die Transferausgaben lagen dort im vergangenen Jahr bei fast einer Milliarde Dollar – mit verschwindend geringen Einnahmen.
Diese Subvention muss passieren, denn die Liga und damit die saudische Begeisterung für den Fußball selbst, steckt noch in den Kinderschuhen. Die Spiele des Erstligisten Al-Riyad FC besuchen im Durschnitt gerade einmal 1.400 Zuschauer. Auch bei Al-Wehda FC sind es nur 3.000 – bei einer Stadionkapazität von 38.000 Zuschauern.
Zur Außendarstellung müssen daher vereinzelte Top-Spiele herhalten, mit Choreografien, die von europäischen Fanszenen kopiert werden. Das Vorbild ist der hiesige Kontinent, nur samt angepasstem Publikum, das allein der Außendarstellung dient. Fußball ist hier nicht Volkssport, sondern nur ein weiterer Unterhaltungsfaktor im Wüstenstaat.
Was das für die Fußball-Weltmeisterschaft 2034 bedeuten könnte, die durch Saudi-Arabien ausgerichtet wird, hat man bereits in Katar beobachten können. Ein Ende des sommerlichen Fußball-Feelings an der Glühweinbude statt beim Public Viewing, schlechte Bedingungen für Arbeiter, gekaufte Zuschauer und leere Stadien.
Doch nicht nur im eigenen Land wird viel Geld in den Fußball und dem damit verbundenen Sportswashing investiert. Auch europäische Länder und ihr Fußball sind bereits Ziele der Saudis geworden und tragen nun die Auswirkungen dieser Investments:
Der spanische Supercup (Supercopa de España) wird seit 2019 in Saudi-Arabien ausgetragen. Die Einnahmen für den spanischen Verband RFEF sind beträchtlich: 120 Millionen Euro soll der erste Vertrag bis 2022 gebracht haben, 240 Millionen Euro soll es nun für die weiteren Spiele bis 2029 geben. Dazu sind die saudi-arabischen Unternehmen Neom und Red Sea Global Sponsoren des Wettbewerbs.
Riyadh Air, eine ab 2025 operierende saudi-arabische Fluggesellschaft mit derzeit null Flugzeugen, ist Trikotsponsor von Atletico Madrid. Die Saudi Investment Bank (SAIB) ist ein Sponsor von Real Madrid und die staatliche Tourismusbehörde Visit Saudi darf sich nun „offizieller Reisepartner“ von La Liga nennen.
Außerdem ist CVC mit 2,7 Milliarden Euro bei La Liga eingestiegen. CVC gilt aktuell als favorisierter Kandidat im Einstieg in der DFL. Haben wir also bald eine DFB-Pokal Endrunde im Wüstenstaat? – Wer weiß..
Auch der franözische Fußball blieb nicht verschont und kämpft aktuell mit den Folgen des Deals mit CVC. Das Investment von CVC in die französische Ligue de Football Professionnel (LFP) ist ein Paradebeispiel für die wachsende Kommerzialisierung im Profifußball, die langfristig zu strukturellen Ungleichgewichten und finanziellen Abhängigkeiten führen kann. Während die unmittelbare Finanzspritze von 1,5 Milliarden Euro eine kurzfristige Lösung, für die durch die Pandemie und das Scheitern des Mediapro-Vertrags entstandenen finanziellen Schwierigkeiten darstellte, birgt sie zugleich erhebliche Risiken.
Die Vereinbarung, wonach CVC dauerhaft 13% der Erlöse aus der Vermarktung der Liga erhält, legt eine finanzielle Last auf die Klubs, die besonders in Zeiten stagnierender oder rückläufiger Einnahmen drückend werden kann. Die aktuellen Schwierigkeiten bei der Neuvergabe der Medienrechte ab der Saison 2024/25 verdeutlichen, wie prekär diese Abhängigkeit ist. Die LFP steht unter Druck, ihre Einnahmen zu steigern, um sowohl die Bedürfnisse der Klubs als auch die Verpflichtungen gegenüber CVC zu erfüllen.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die ungleiche Verteilung der von CVC bereitgestellten Mittel, die größere, finanzstärkere Klubs wie PSG begünstigt, während kleinere Klubs und Aufsteiger nur einen Bruchteil erhalten. Diese Praxis verschärft die ohnehin bestehende Kluft zwischen den Top-Klubs und dem Rest der Liga und gefährdet den sportlichen Wettbewerb.
Die Kritik von Christophe Bouchet, dem ehemaligen Präsidenten von Olympique Marseille, beleuchtet zudem die langfristigen Auswirkungen des Deals. Die Klubs haben sich dauerhaft an die Zahlung von 13% ihrer Erlöse gebunden, was ihre finanzielle Flexibilität einschränkt und sie in eine Situation bringt, in der sie „ein Leben lang“ zahlen müssen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Investment von CVC zwar eine sofortige finanzielle Erleichterung für die französische LFP gebracht hat, aber gleichzeitig Bedenken hinsichtlich der langfristigen finanziellen Nachhaltigkeit, der Fairness im Wettbewerb und der Autonomie der Klubs aufwirft.
Der Einstieg von CVC in die französische Liga wird aktuell durch die Nationale Finanzstaatsanwaltschaft (PNF) untersucht. Ausgangspunkt ist eine Beschwerde der Antikorruptions-Vereinigung.
Nicht nur europäische Fußballligen sind von großem Interesse geprägt, auch die Topstars aus Europa werden mit schwindelerregenden Summen in den Wüstenstaat gelockt.
Hochkarätige Transfers wie Karim Benzema oder Christiano Ronaldo dienen nicht nur der sportlichen Entwicklung in der saudischen Liga, sondern sind ebenso als vielversprechende Botschafter mit Millionenreichweite im Einsatz. Social Media-Bilder etwa mit dem saudischen Prinzen Mohammed Bin Salam scheinen in den knapp 200 Millionen Dollar Jahresgehalt inbegriffen zu sein.
Das Netzwerk der Saudi-Influencer funktioniert jedoch nicht nur mit Superstars in der inländischen Liga: Auf der Gehaltsliste stehen auch Spieler, die in ausländischen Ligen kicken wie etwa Lionel Messi, der sich zwar nicht für einen Wechsel in die dortige Liga entschied, in Instagram-Beiträgen aber trotzdem mit „VisitSaudi“ wirbt. Umso reichweitenstärker die Sportler, desto größer ist auch der Imagegewinn des Staates.
Investitionen aus dem staatlichen Investmentfonds fließen nicht nur in den Fußball.
Um ein möglichst breites Portfolio aufzubauen, sind auch zahlreiche andere Sportarten im Visier des saudischen Staates. Mit der Liv-Tour wurde sogar eigens eine Golf-Serie ins Leben berufen, die in unmittelbarer Konkurrenz zum amerikanischen Golf-Tour steht und mittlerweile namenhafte Sportler an sich gebunden hat. Topstars sind mittlerweile fester Bestandteil der Liga und erhalten, ähnlich wie im Fußball, Summen von bis zu 200 Millionen Dollar für ihre Teilnahme.
Auch im Kampfsport versucht Saudi-Arabien Fuß zu fassen. Seit einem Jahrzehnt ist auch die Wrestling-Organisation WWE eng mit den Saudis verbandelt. Megaevents und Showkämpfe werden daher ebenso wie die Fußballspiele ins Land geholt. Auch in die amerikanische MMA-Organisation PFL flossen bereits 100 Millionen Dollar an Staatsgeldern. Heute stellt sie bereits ein Drittel der 25 besten Kämpfer.
Fazit:
Diese Investitionen sind nicht nur finanzieller Natur, sondern auch symbolisch bedeutend. Sie dienen dazu, das internationale Image von Saudi-Arabien aufzubessern. Die saudischen Investoren legen ihren Fokus daher nicht primär auf sportlichen Erfolg, sondern auf Macht und Einfluss. Die Ziele der Öffnung ist klar und offensichtlich: Saudi-Arabien will Anerkennung auf dem Weltmarkt, als wichtiger Handelspartner wahrgenommen werden, lukrative Rohstoffdeals abzuschließen und Touristen anziehen – nicht zuletzt als neues Mitglied der BRICS. Nicht zuletzt dienen die Investments auch dazu, das staatliche Projekt Saudi Visions 2030 voranzutreiben, das einen massiven Ausbau der Tourismusbranche vorsieht und bis zum Ende des Jahrzehnts Millionen neue Besucher ins Land locken soll. Diese schleichende Anbiederung geht jedoch ohne eine Liberalisierung des Werte- oder Justizsystems vonstatten. Mit der Vorstellung eines Fußballs, der durch seine Fans getragen wird, in dem jeder einzelne Stadionbesucher gleichwertig erscheint, ist das nicht vereinbar.
Quellen:
faz, wdr, zdf, amnesty international, deutschlandfunk, sportschau